Schlüsselempfehlungen

Behandlung

Aktualisiert am 18.02.2022
Erstellt am 18.02.2022

Hier finden Sie die allgemeinen Empfehlungen der S3 - Leitlinie gegliedert nach verschiedenen Behandlungsoptionen (Kurzintervention, "Körperliche Entgiftung", "Qualifizierte Entzugsbehandlung", Postakutbehandlung), sowie die Empfehlungen zur Behandlung bei von somatischen und psychischen Komorbiditäten und zur Versorgung von alters- und geschlechtsspezifischen Personengruppen. Zudem finden Sie Empfehlungen zu psychotherapeutischen und psychosozialen Interventionskomponenten im Rahmen der Postakutbehandlung.

Behandlung alkoholbezogener Störungen


Hier finden Sie allgemeine Behandlungsempfehlungen der S3 – Leitlinie, gegliedert nach Behandlungsoptionen

  • Alkoholbezogene Kurzintervention
  • Körperliche Entgiftung
  • Qualifizierte Entzugsbehandlung
  • Postakutbehandlung

Zudem finden Sie in den Reitern links Empfehlungen zur Behandlung von alkoholbezogenen Störungen bei

  • Menschen mit somatischen und psychischen Komorbiditäten
  • altersspezifischen Personengruppen (Jugendliche, ältere Menschen) und
  • geschlechtsspezifischen Personengruppen (Frauen, Schwangere).
  • sowie zu psychotherapeutischen Angeboten

Allgemeine Behandlungsempfehlungen

Schlüsselempfehlung Empfehlungsgrad

Allgemeine Wirksamkeit von Kurzinterventionen

Kurzinterventionen sind wirksam zur Reduktion von problematischem Alkoholkonsum und sollen flächendeckend umgesetzt werden.

A

Riskanter Konsum

Die Wirksamkeit von Kurzinterventionen zur Reduktion des Alkoholkonsums ist für riskant Alkohol Konsumierende am deutlichsten nachgewiesen. Daher sollen Kurzinterventionen bei dieser Gruppe angeboten werden

A

Rauschtrinken

Kurzintervention kann zu einer Reduktion von Rauschtrinken führen. Daher sollten entsprechende Interventionen für Rauschtrinker angeboten werden.

B

Abhängigkeit

Befunde hinsichtlich der Wirksamkeit von Kurzinterventionen im Hinblick auf die Reduzierung des Alkoholkonsums bei Abhängigen sind widersprüchlich und nicht sicher durch die Literatur belegt. Kurzinterventionen können Alkoholabhängigen angeboten werden.

O

Geschlecht

Die Wirksamkeitsbelege für Kurzinterventionen unterscheiden sich nicht zwischen Männern und Frauen. Sie sollen daher unabhängig vom Geschlecht angeboten werden.

A

Ältere Menschen

Kurzinterventionen sollen auch bei älteren Menschen (im Alter von über 65 Jahren) mit Alkoholproblemen angeboten werden.

KKP

Komorbidität

Es liegen wenige Studien vor, in denen aber insgesamt eher eine Wirksamkeit von Kurzinterventionen bei komorbiden Störungen angenommen wird. Kurzinterventionen können auch Patienten mit komorbiden Störungen angeboten werden.

KKP

Primärmedizinische Versorgung

In der primärmedizinischen Versorgung sollen Kurzinterventionen zur Reduktion problematischen Alkoholkonsums angeboten werden.

A

Arbeitsplatz

Eine Kurzintervention am Arbeitsplatz ist wahrscheinlich wirksam, aber nicht schlüssig und sicher durch die Literatur belegt. Sie kann empfohlen werden.

KKP

Fehlende Wirksamkeit

Evidenz für fehlende Wirkung einzelner Kurzinterventionsformen ist nicht belegt. Die weitaus überwiegende Zahl der Studien weist Wirksamkeit aus, so dass der Einsatz der üblichen Formen von Kurzinterventionen empfohlen werden kann. Fehlende Wirksamkeit in einzelnen Subgruppen oder einzelnen Settings werden jeweils dort beschrieben.

KKP

Unerwünschte Wirkung

Kurzintervention zur Reduktion des Alkoholkonsums zeigt keine unerwünschten Wirkungen. Sie kann umgesetzt werden.

KKP
Schlüsselempfehlung Empfehlungsgrad

Wirksamkeit und Indikation

Alkoholbezogene Störungen sollen behandelt werden.

Bei Patienten mit einem Risiko für die Entwicklung von Entzugssymptomen oder einem individuellen Risiko für Entzugskomplikationen wie Krampfanfällen bzw. deliranten Symptomen soll eine Entzugsbehandlung durchgeführt werden.

Behandlungskomponenten

Eine symptomorientierte Behandlung des Alkoholentzuges anstatt eines fixen Dosierschemas sollte dann angeboten werden, wenn

  • ein engmaschiges Assessment und Symptomkontrolle unmittelbar bei Behandlungsbeginn und während des gesamten Verlaufes sichergestellt sind und
  • das Personal adäquat in Assessment und Überwachung eines Alkoholentzugs geschult ist, z.B. in der Zuhilfenahme eines standardisierten Beurteilungsinstrumentes.

Behandlungsort

Eine stationäre Behandlung in Form einer körperlichen Entgiftung oder qualifizierten Entzugsbehandlung soll angeboten werden

  • bei einem Risiko eines alkoholbedingten Entzugsanfalles und/oder Entzugsdelirs und/oder
  • bei Vorliegen von gesundheitlichen bzw. psychosozialen Rahmenbedingungen, unter denen Alkoholabstinenz im ambulanten Setting nicht erreichbar erscheint.

Eine stationäre Behandlung in Form einer körperlichen Entgiftung oder qualifizierten Entzugsbehandlung sollte angeboten werden bei alkoholabhängigen Personen und Personen mit schädlichem Gebrauch, wenn mindestens eins der folgenden Kriterien erfüllt ist:

  • (zu erwartende) schwere Entzugssymptome,
  • schwere und multiple somatische oder psychische Begleit- oder Folgeerkrankungen,
  • Suizidalität,
  • fehlende soziale Unterstützung,
  • Misserfolg bei ambulanter Entgiftung

Eine ambulante Entzugsbehandlung (körperliche Entgiftung oder qualifizierte Entzugsbehandlung) kann angeboten werden, wenn keine schweren Entzugssymptome oder -komplikationen zu erwarten sind, eine hohe Adhärenz und ein unterstützendes soziales Umfeld bestehen.

Eine ambulante Entgiftung sollte nur angeboten werden durch Ärzte mit:

  • ausreichenden Kenntnissen in der Alkoholentgiftung und
  • der Möglichkeit engmaschiger klinischer Kontrolluntersuchungen, inkl. Verhaltensbeobachtung und
  • organisatorischer Sicherstellung einer 24h Erreichbarkeit eines Notfalldienstes

Behandlungsdauer

Die Dauer der Behandlung sollte sich individuell an der Schwere der Entzugserscheinungen und der körperlichen und psychischen Begleit- oder Folgeerkrankungen orientieren.

Risiken bei Nichtbehandlung

Alkoholabhängige, die sich keinem Alkoholentzug unterziehen wollen, sollten informiert werden über

  • Risiken der nicht überwachten plötzlichen Trinkmengenreduktion oder eines Trinkstopps, wie z.B. Entzugskomplikationen und deren Behandlungsmöglichkeiten.
  • alternative Hilfeangebote

Unerwünschte Wirksamkeit der körperlichen Entgiftung

Da eine körperliche Entgiftung alleine keine hinreichende Therapie der Suchterkrankung darstellt, sollen weitere suchtmedizinische Hilfen vorgehalten bzw. vermittelt werden.

Schlüsselempfehlung Empfehlungsgrad

Wirksamkeit

Es sollte eine Qualifizierte Entzugsbehandlung (QE) statt einer körperlichen Entgiftung angeboten werden.

KKP

Indikation

Eine Qualifizierte Entzugsbehandlung (QE) soll angeboten werden, wenn der/die PatientIn weiterführenden Behandlungsmaßnahmen ambivalent gegenübersteht.

KKP

Dauer

Zur Verbesserung des Behandlungserfolgs sollte eine Qualifizierte Entzugsbehandlung (QE) in der Regel 21 Behandlungstage umfassen. Unter Beachtung der Empfehlung, dass sich die Dauer der Behandlung individuell an der Schwere der Entzugserscheinungen und
de
r körperlichen und psychischen Begleit oder Folgeerkrankungen orientieren sollte, kann individuell auch eine längere Behandlungsdauer notwendig werden.*


*Empfehlung bezieht sich auf Behandlung von Erwachsenen. Zu Besonderheiten für Kinder und Jugendlichen siehe Kapitel 3.7.1. der S3 – Leitlinie

Schlüsselempfehlung Empfehlungsgrad

Generelle Wirksamkeit

Postakute Interventionsformen sollen PatientInnen im Anschluss an die Entzugsphase als nahtlose weiterführende Behandlung angeboten werden. Dabei stellt die Abstinenz bei abhängigem Konsum die übergeordnete Zielsetzung dar.

KKP

Therapieziele

Bei der Postakutbehandlung ist Abstinenz bei Alkoholabhängigkeitssyndrom (ICD10: F10.2) primäres Therapieziel. Ist die Erreichung von Abstinenz z.Z. nicht möglich oder liegt schädlicher bzw. riskanter Konsum vor, soll eine Reduktion des Konsums (Menge, Zeit, Frequenz) im Sinne einer Schadensminimierung angestrebt werden.

A

Bedingungen

Komorbidität

Komorbidität (psychisch) soll in der Postakutbehandlung in einem integrierten Ansatz berücksichtigt und mitbehandelt werden.

KKP

Bedingungen

Alter

Bei höherem Lebensalter soll eine Postakutbehandlung der alkoholbezogenen Störung mit Hinweis auf die überdurchschnittlich günstige Prognose angeboten werden.
Bei niedrigerem Alter (14-18 Jahre) soll eine Postakutbehandlung angeboten werden.

KKP

Bedingungen

Teilhabeeinschränkungen

Bei bestehender Erwerbslosigkeit sollten bevorzugt Settings angeboten werden, die auch eine Reintegration ins Arbeitsleben fördern.
Bei vorhandenem oder drohendem Aktivitätsverlust oder fehlender Tages- und/ oder Wochenstruktur sollten Settings angeboten werden, die Betroffene darin unterstützen, Aktivitäten und sinnvolle Alltagsbetätigung selbstbestimmt (wieder) ausüben zu können. Bei Gefährdung des Arbeitsplatzes sollten Beratungs- und Coaching-Settings angeboten werden, die einem Arbeitsplatzverlust vorbeugen (z. B. Job Coaching und/ oder andere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben).

KKP

Bedingungen

Migrationshintergrund

Bei MigrantInnen soll in der Postakutbehandlung der Migrationshintergrund berücksichtigt werden.

KKP

Bedingungen

Setting

Es soll eine differentielle Indikationsstellung für die Postakutbehandlung in den unterschiedlichen Settings (ambulant, ganztägig ambulant bzw. teilstationär, stationär) im Einzelfall erfolgen.

KKP

Bedingungen

Vernetzung der Angebote

Zur nachhaltigen Sicherung des Erfolges der Postakutbehandlung soll sich nahtlos eine aufeinander abgestimmte Versorgung über einen Zeitraum von mindestens 12 Monaten erstrecken.
Das Behandlungsangebot soll dabei individuell und passgenau sein, neben suchttherapeutischen ggf. psychotherapeutische sowie psychiatrische Interventionen umfassen und je nach indiziertem Setting durchgeführt werden.

 

KKP

Bedingungen

Behandlungsdauer

Die Dauer und Intensität der Postakutbehandlung sollen sich individuell an der Schwere, der Komorbidität, den vorhandenen teilhabeorientierten Einschränkungen und den Folgen orientieren.

KKP

Ergebnismaße

Evaluation

Für die Ergebnisevaluation bei der Behandlung von alkoholbezogenen Störungen sollen Maße zum Konsumverhalten, zur Teilhabe (gesellschaftlich und beruflich), zur Morbidität und Mortalität, zur Lebensqualität und zur Lebenszufriedenheit berücksichtigt werden.

KKP

Ergebnismaße

Zielorientierung

Ist das Ziel der Behandlung von alkoholbezogenen Störungen die Abstinenz, soll als primäres Ergebnismaß die katamnestische Erfolgsquote hinsichtlich der Abstinenz herangezogen werden. Ist das Ziel die Konsumreduktion, sollen als primäre Ergebnismaße Trinktage und Trinkmenge herangezogen werden, wobei abstinente Personen gesondert anzugeben sind.

KKP

Ergebnismaße

Evaluationszeitraum

Für die Ergebnisevaluation bei der Behandlung von alkoholbezogenen Störungen soll regelhaft ein Zeitraum von einem Jahr nach Beendigung der Behandlung berücksichtigt werden.

KKP